Wie habt Ihr Euch verändert?
#1
Hallo Zusammen!

Lange ist es her, dass ich hier geschrieben habe. Meine Mutter (61) hat ihre Diagnose ja vor erst 2 Jahren bekommen und wir haben durch die Stürze sämtliche Krankenhäuser Bremens mitgenommen. Dazu haben wir unser Haus aufgelöst, Rente und Pflegestufe beantragt, ein betreutes Wohnen gesucht. Alles in einer "Affennaht", man hatte kaum Zeit sich mal hinzusetzen um zu kapieren, was hier eig. geschieht...

Lange ist sie nicht im betreuten Wohnen geblieben, sie musste nochmal wegen eines Oberschenkelhalsbruches operiert werden und die Schübe der Krankheit verlaufen bei ihr so schnell, dass selbst unsere Ärzte erschüttert sind. Vor 6 Wochen nun musste sie auf die vollstationäre Pflegestation verlegt werden. Aktuell ist es so, dass sie sich kaum mehr artikulieren kann, Essen ist ihr unangenehm, bald wird das Thema PEG im Raum stehen. Bewegungsapparat funktioniert kaum noch, sie braucht also bei allem Hilfe.

Pflegestufe 3 ist beantragt und was man so mit MDK, Krankenkassen und Ämtern erlebt, muss ich wohl nicht erzählen. Erschwerend kam die letzten Monate noch hinzu, dass sich mein Partner von mir getrennt hat. Und dann stehst Du da, ohne die starke Schulter an Deiner Seite. Erfreulich ist aber, dass sich mein Bruder (31) nach anfänglicher Unsicherheit so liebevoll um unsere Mutter kümmert, dass mein Herz platzt, vor Schwesterstolz! Und "unser" Pflegeheim ist einfach nur toll! Davon ab, dass man sich dazugehörig fühlt um vom Hausmeister über die Köche bis hier zur Heimleitung jeden kennt, setzen sich alle sehr für meine Mutter ein. Wir fühlen uns dort sehr gut aufgehoben und mein Bruder und ich sind im Wechsel auch jeden Tag dort.

Wir gehen in unserer Familie sehr offen mit dem Thema Tod um, was glaube ich, auch nicht jede Familie kann. Es scheint gerade so, als durchlebe man einen Abschied "auf Raten."

Was soll ich groß sagen, Ihr wißt alle, wie es ist, einen geliebten Menschen mit der Krankheit zu begleiten: Die Wut, die Hilflosigkeit, das heimliche Weinen im Auto, wenn man aus dem Pflegeheim kommt usw.

Was mich heute einmal interessieren würde: Wie habt Ihr Euch verändert?

Bei mir ist es wie folgt:
Ich saß neulich mit Freunden an der Weser, wir haben in einem Lokal nett zu Abend gegessen. Es war nach Monaten der erste Abend, an dem ich mal an NIX gedacht habe. Ich musste ja lernen, einen großen Teil Verantwortung an das Pflegepersonal abzugeben (war nicht einfach)ich musste über meine Trennung hinwegkommen (bin ich noch nicht)aber an DIESEM Abend hab ich mich so unglaublich über das Wetter, meine olle Apfelschorle und Tapas gefreut... Was ich sagen will: Solche Dinge haben einen ganz anderen Stellenwert bekommen! früher ist man oft "mal eben" ins Kino, was Essen usw. gegangen, heute ist es etwas Besonderes. Versteht Ihr, was ich sagen will?

Neu ist auch, dass ich langfristig beruflich etwas anderes machen möchte. Ich habe einen Bürojob im Vertrieb, durch die Kontakte mit Pflegeheim, Krankenhäusern und auch einem Hospiz möchte ich später aber einmal einen Job machen, der mit mehr "Sinn" gefüllt ist. Im Herbst werde ich zum Beispiel an einem Hospizkurs für Ehrenamtliche teilnehmen.

Es hat sich schon viel geändert. Man ist stärker geworden, Ansichten haben sich geändert. Meine Mutter wurde in unserer gesamten Familie immer als "Löwenmutter" bezeichnet, hat sie uns Kinder doch allein groß gezogen, nachdem mein Vater sich trennte. Nun sagen sie "Löwentochter" zu mir.

Aber schlussendlich: ich bin soo kaputt und müde... Jetzt wo ich meine Mutter in guten Händen weiß, merke ich die letzten zwei Jahre extrem. Und ich fürchte auch, dass ich mir eine Schutzmauer gebastelt habe, an manchen Tagen kann ich nicht mal mehr weinen. Und doch brauche ich meine Kraft um sie weiterhin bestmöglich zu begeleiten. Denn: diese Aufgabe ist die schönste und zugleich schlimmste, die man als Tochter haben kann.

Wie geht es Euch?

LG
Carmen
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#2
Hallo Carmen,

es tut mir leid, was Du z. Z. alles mitmachen musst. Trennung, dass kann man in diesem Fall so gar nicht brauchen. Aber ich lese aus Deinen Zeilen, Du bist stark, Du schaffst das.

Ja, die PSP verläuft unterschiedlich es gibt verschiedene Formen der PSP. Was ich halt immer ganz wichtig finde, einen wirklich guten Neurologen suchen, der die Krankheit begleitet, schaut was man beim Einzelnen mit Medis machen kann (auch das ist bei jedem verschieden) und gaaaanz viel Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie. Bei meinem Mann ging das nicht ganz so schnell mit dem Verlauf, aber ich hatte das Glück, dass ich selbst 24 Stunden um ihn sein konnte, so kann man schnell eingreifen, wenn ein Medi nicht mehr ausreichend ist bzw. ich habe es früher gemerkt als er selbst, wenn der Neuro da was falsches verordnet hatte.

Das viele Dinge einen anderen Stellenwert haben, da kann ich nur zustimmen. Und ich habe immer gesagt, wenn man PSP kennt, dann ist es plötzlich völlig unwichtig, ob ich jetzt 2 neue Fältchen im Gesicht habe oder eine Orangenhaut am Oberschenkel – völlig unwichtig – PSP ist so schlimm, da ist man täglich froh, dass man „nur“ kleine Fältchen hat.;-) Auch ich habe eine völlig neue Einstellung zu Ehrenämtern bekommen und bin nun, nach dem Tod meines Mannes, ehrenamtlich tätig in unserem Frühstückscafé für Demenzkranke. Und auch da ziehe ich Vergleiche, der Beginn bei PSP hat mehr Auswirkungen im privaten Umfeld als bei Demenzerkrankten, die ja in den ersten Jahren noch ganz viel selbst können, wobei bei PSP eben durch die gravierende Sturzneigung vieles ausscheidet.

Ich fand es halt immer wichtig, meinen Mann noch an gaaanz viel teilhaben zu lassen, dass war für ihn Lebensqualität, er hat es Genossen bis zuletzt.

Dir alles Gute und viel Kraft
Gerlinde
Ehemann mit PSP/CBD mit sichtbaren Symptomen seit 2001
Diagnose 2004, verstorben 08.03.2011
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#3
Liebe Gerlinde!

Danke für Deine Worte!

Ach, was sind schon Falten... Ich finde, jede gelebte Falte erzählt immer auch eine Geschichte!

Was mich mit-traurig macht sind jene Menschen die im Pflegeheim leben und keine Angehörigen haben. Keiner der zu Besuch kommt, niemand der einen umsorgt. Das finde ich ganz schlimm!

Unsere Ärzte sind toll, sie unterstützen uns total.

Und doch: irgendwie frage ich mich, wie nochmal mein Leben "davor" eigentlich war.

Euch allen weiter viel Kraft!

Lieben Gruß,
Carmen
Mama am 26.05.12 im Alter von 61 Jahren verstorben. Erste Diagnose 2010.
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#4
Hallo Ihr Lieben,

Das Leben mit PSP verändert einfach alles. Als Kranker bist du völlig hilflos und. Ständig auf die Hilfe anderer angewiesen. Dass ist ganz schön schwer! Als pflegender Angehöriger hast du eigentlich kein eigenes Leben mehr. Du willst immer da sein, wenn dein Partner, Vater oder Mutter dich braucht. Es geht mitunter soweit, dass wenn du den Raum verlässt um evtl. Mal die Wäsche zu waschen oder auch mal nur zur Toilette musst, du immer mit einem Ohr bei dem Erkrankten bist. Ich z.B. arbeite nun mehr von Zuhause aus und hab mir ein Babyphone gekauft, damit ich nicht verpasse, wenn mein Mann mich braucht! Wenn die Hunde rausmüssen, denke ich immer an ihn und hoffe, dass er in dieser Zeit entweder im Bett liegenbleibt oder nicht von seinem Stuhl aufsteht.
Ihr seht also, dass es bei mir so ist, dass meine Gedanken immer bei meinem Mann sind und ich gardenie Zeit habe um mal etwas für mich zu tun, was ich im Moment auch gar nicht vermisse.
auch muss ich nun alles alleine erledigen. Arbeiten, die früher mein Mann verrichtete ( Garten, Möbel aufbauen, schwere Sachen einkaufen etc.) muss ich nun alleine schaffen. Da merkt man erst, wie stark man doch sein kann.
Das war nur ein kleiner Überblick, wie sich mein Leben verändert hat.
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#5
Liebe Jutta,

genauso wie Du schreibst ergeht es meiner Mama. Mein Vater ist an PSP erkrankt und es ist tatsächlich so, dass sie nie Ruhe hat, etwas zu erledigen. Sobald man ein Poltern hört, denkt sie gleich, Papa ist gefallen. Wenn sie mal kurz in die Stadt fährt, dann ruft sie zwischendurch an um zu fragen, ob alles in Ordnung ist. Sie steht immer unter Strom und ist nur mit den Gedanken dabei, ob er auch vorsichtig ist, wenn er mal alleine ist.
Auch all die Dinge, die Papa früher gemacht hat, macht sie selber oder wir als Kinder und Schwiegersöhne. Papa ist dann immer so sehr traurig, weil er früher alles, aber auch alles gemacht hat wie z.B. etwas reparieren oder aufbauen, schwere Kisten schleppen.....Jetzt kann er gar nichts mehr und das macht ihn so traurig.
Meine Schwester und ich versuchen sie natürlich zu unterstützen und zu helfen, wo eben es geht. Aber wir sind ja nicht immer vor Ort.
Ich liebe meinen Papa und es wäre mein grösster Traum, diese Krankheit in die Hölle zu schicken. Er soll wieder so glücklich sein wie früher!!!

Weiterhin ganz viel Kraft und alles Gute.

Stefanie
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#6
Liebe Stefanie
Bei deinen letzten Worten schossen mir die Tränen in die Augen. Das ist das selbe, was ich mir auch wünsche, diese verdammte Krankheit in die Hölle zu schicken und mein Mann, die Kinder und ich wären so glücklich wie früher!
Meinen Mann macht es auch immer sehr traurig, wenn er mit ansehen muss, was ich alles zu tun habe. Wie gerne würde er mir helfen und mich unterstützen! Das tut mir dann wieder weh, ihn so verzweifelt zu sehen! Ich versuche dann immer die Situation zu überspielen, indem ich vom Thema ablenke oder sage ich sei froh, endlich Sachen machen zu dürfen, die er früher immer erledigte.
Ich kann sehr gut nachvollziehen, wie es deiner Mama geht. Dabei denke ich, dass sie es noch einwenig schwerer hat als ich, da sie sicherlich noch etwas alter als ich ist.

Gruß


Jutta
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#7
Liebe PSP-Peers,
nun meld ich mich auch mal wieder, hab grad ne Weile all die Beitrage der vergangenen Monate gelesen. Ich hab schon lang nicht merh vorbeigeschaut, hab halt auch fast nie Zeit...
Die Frage, wie mich die Krankheit meiner Mutter verändert hat, find ich klasse. ich würde mich freuen, auch über solch persönliche Fragen mit Euch im Austausch zu sein.
Auch stelle ich mir manchmal die Frage, wie mein Leben wohl "danach" sein wird. Dabei bin ich ja gar keine vollzeit-PflegeAngehörige, meine Mama lebt zwar bei uns, wird aber von anderen gepflegt, die ich von ihrem Geld engagiert habe. ich habe nebenbei noch einen Job, bei dem ich auch öfters mal schwerkranke und Sterbende sehe - und deren Angehörige. Jedenfalls in die angehörigen kann ich mich viel besser einfühlen als zuvor. Außerdem hab ich - schwer - lernen müssen, dass wir uns nicht alle Aufgaben im Leben selbst aussuchen, sondern auch welche serviert bekommen, auf die wir gerne verzichtet hättet. Das ist irgendwie ein rausgerissenwerden aus einer kindlichen Naivität und verändert vieles...
Ach, ich denk mal noch weiter drüber nach - und freu mich, wenn noch mehr von euch mitmachen! herzliche Grüße in die Runde von CLaudia
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#8
Liebe Claudia!

Die Frage, wie es wohl "danach" ist, kam mir auch öfters. Aber die schiebt man weg von sich, denn obwohl man weiß, die Krankheit ist da, obwohl man hier immer mal wieder von Abschieden liest, denkt man immer irgendwo noch: Nicht wir. Wir haben noch Zeit. Bei uns wird das nicht so.

Der Verdrängungsmechanismus funktioniert perfekt! :-) Man fragt sich, wie fühlen jene, die gerade jemanden haben gehen müssen, man sieht diese Menschen an und fragt sich, wie zum Teufel schaffen die das?! Ich gehöre seit heute 9 Wochen auch zu jenen und will Dir kurz beschreiben, wie es bei uns war.

Unsere Familie ging immer sehr offen mit dem Thema Sterben um. Das heisst nicht, dass es nicht weniger weh tut, aber wir hatten den Vorteil, dass wir uns bewusst verabschieden durften und die Beerdigung genau so ausrichten konnten, wie meine Mutter es sich wünschte.

Als nun der Tag kam, wo es meiner Mutter rapide schlechter ging und es hieß:
"Sie liegt im Sterben" und Du Freunde und Bekannte anrufst, fühlt es sich an, als erzähle man von wem anders, nicht von dem eigenen Familienmitglied. Wir schalten um auf "funktionieren". Bei uns sah das so aus, dass wir alles dafür taten, unsere Ma so gut als möglich zu begleiten. Wir saßen eine Woche in ihrem Zimmer im Pflegeheim und die Welt draussen, ja die drehte sich einfach weiter! Aber die Welt da draussen interessiert in dem Moment nicht.

Es ist, wie alle anderen es immer erzählen: Man hat sehr viel Kraft um alles zu organisieren, zu tun und zu machen und fragt sich: Woher kommt die Kraft nur? Wir haben nach dem Einschlafen meiner Ma alles getan: Zimmer ausgeräumt, Beerdigung, Formalitäten. Keine Ahnung, wie ich und mein Bruder das alles gemnacht haben´, komischerweise kann ich mich nicht mehr an alles erinnern. :-|

Und nach 6 Wochen, als ich die letzte Rechnung überwiesen- ich auch den letzten Bekannten informriert hatte, als alles quasi "fertig" war, da konnte ich eines Montag morgens nicht mehr aufstehen. Körper wollte einfach nicht mehr. ich schleppte mich dann zu unserer Ärztin, welche auch meine Ma bgleitet hat. Sie lächelte nur milde und sagte: " Das war klar, das das kommt." Und dann habe ich geheult. Nur geheult! Hab mich gar nicht mehr einbekommen. Sie schrieb mich krank und ich habe ungelogen von Montag bis Mittwoch nur geschlafen, fast komatös.

Jetzt 3 Wochen später geht es mir besser. Ich war wohl einfach nur kaputt. Nun ist es so, dass ich lernen muss, eine Lücke zu füllen. Ich war nach der Arbeit immer im Pflegeheim und vor 20:30 sowas nie daheim. Jetzt bin ich um halb Sechs zuhause und die ersten Tage habe ich hier gesessen und wusste nix mit mir anzufangen. Jetzt nehme ich die Hobbies langsm wieder auf, welche ich die letzten 2,5 Jahre nicht habe wahrnehmen können und gehe zum Beispiel viel Schwimmen.

Schon jetzt merke ich folgende Veränderungen: Vieles ist mir zu oberflächlich geworden, wie manche Menschen leben, wie wenig Werte sie haben. Ich bin stärker geworden und ich habe andere Interessen, z. B,. die Hospizarbeit. Ich habe mich bewusst von 2 Bekannten "getrennt, weil unsere Ansichten nicht mehr zusammenpassen, habe dafür aber einige neue, wichtige und liebe Menschen kennengelernt.

Man schaut die Welt mit anderen Augen an!

Und auch, wenn ich meine Ma unendlich vermisse, so bin ich doch auch dankbar für die Erfahrung, die ich machen durfte. Und dafür, sie auf der Schwelle in die andere Welt begleiten zu dürfen. Und dafür, das die Bindung zwischen mir und meinem Bruder und auch meinen Tanten inniger denn je ist.

Liebe Grüße,
Carmen
Mama am 26.05.12 im Alter von 61 Jahren verstorben. Erste Diagnose 2010.
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#9
Liebe Carmen

Meine Frau und ich bekommen nun 9 Wochen im Jahr eine Auszeit. Da geht sie immer fuer eine, auch mal 2 Wochen in das selbe Pflegeheim, selbes Zimmer und das Personal kapiert so langsam, wie sie zu pflegen ist.

Ich will nun mir die Zeit nehmen Dir mal ausfuerlich zu schreiben. Du schriebst

.....Lange ist es her, dass ich hier geschrieben habe. Meine Mutter (61) hat ihre Diagnose ja vor erst 2 Jahren bekommen und wir haben durch die Stürze sämtliche Krankenhäuser Bremens mitgenommen. Wenn ich hier mal mitgehe, dann ist die Progression beu Deiner armen Mutter sehr schnell vorangegangen.

Nun habe ich viel mit der Parkinson Organisation
hier in Australien zu tun (die haben PSP unter ihre Fittiche genommen), und
ich kann hier nur sagen, PSP ist von einem anderem Kaliber ohne Parkinson Leiden zu verharmlosen. PSP ist wahrlich eine Heimsuchung, seelischer und koerperlicher Art; was den Verfall,das Trauma fuer alle, Folge von Stuerzen, Nebenwirkungen von Medikamenten, Unwissen in der Aerzteschaft betrifft.

......die Schübe der Krankheit verlaufen bei ihr so schnell, dass selbst unsere Ärzte erschüttert sind. Vor 6 Wochen nun musste sie auf die vollstationäre Pflegestation verlegt werden. Aktuell ist es so, dass sie sich kaum mehr artikulieren kann, Essen ist ihr unangenehm, bald wird das Thema PEG im Raum stehen. Bewegungsapparat funktioniert kaum noch, sie braucht also bei allem Hilfe.

Carmen, das ist ja sehr traumatisch und traurig. TUt mir so leid, ist Deine werte Mutter noch am Leben?

Bei PEG kann ich nur sagen, Mai 2011 bei Brigitte gesetzt verlaengert ihr Leben um mindestens 5 Jahre, sie hat nach 6 Monaten wieder ihr Idealgewicht und Muskeln erreicht, ist fuer mich als Pflegeperson praktischer. Das Wichtigste ist Hygiene bei PEG, ich weiche alle Instrumente in einem separaten Becken mit Spuelmittel und ein paar Tropfen Bleiche fuer 2 Stunden ein. Bei Hitze, Schwueles Wetter, Schwitzen muss das PEG taeglich mit Watte getraenkt in Kenacombe oder andere Salbe unterlegt werden, besonders nachts.

.....Und dann stehst Du da, ohne die starke Schulter an Deiner Seite. Erfreulich ist aber, dass sich mein Bruder (31) nach anfänglicher Unsicherheit so liebevoll um unsere Mutter kümmert, dass mein Herz platzt, vor Schwesterstolz! Und "unser" Pflegeheim ist einfach nur toll! Davon ab, dass man sich dazugehörig fühlt um vom Hausmeister über die Köche bis hier zur Heimleitung jeden kennt, setzen sich alle sehr für meine Mutter ein. Wir fühlen uns dort sehr gut aufgehoben und mein Bruder und ich sind im Wechsel auch jeden Tag dort.

Na das hoert sich doch gut an mit dem Pflegeheim und dass Dein Bruder hilft.

......einen Abschied "auf Raten." Was soll ich groß sagen, Ihr wißt alle, wie es ist, einen geliebten Menschen mit der Krankheit zu begleiten: Die Wut, die Hilflosigkeit, das heimliche Weinen im Auto, wenn man aus dem Pflegeheim kommt usw.

Ja, geht mir auch so, kommt in Anfaellen.

Ich musste ja lernen, einen großen Teil Verantwortung an das Pflegepersonal abzugeben (war nicht einfach)ich musste über meine Trennung hinwegkommen (bin ich noch nicht)aber an DIESEM Abend hab ich mich so unglaublich über das Wetter, meine olle Apfelschorle und Tapas gefreut... Was ich sagen will: Solche Dinge haben einen ganz anderen Stellenwert bekommen! früher ist man oft "mal eben" ins Kino, was Essen usw. gegangen, heute ist es etwas Besonderes. Versteht Ihr, was ich sagen will?

Genau, ich verstehe dich voll, weil man irgendwie mitstirbt, wenn eine strake Beziehung besteht, und dann sind auch Kleinigkeiten ganz ganz wichtig, einen selten Vogel sehen, einen tollen Kuchen essen, gestern sind 8 schwarze Kakadus
ueber unser Haus geflogen, das ist kosmisch fuer mich

.......einen Job machen, der mit mehr "Sinn" gefüllt ist. Im Herbst werde ich zum Beispiel an einem Hospizkurs für Ehrenamtliche teilnehmen.

Na, da hat sich was in der Seele getan bei Dir, lass es zu aber nicht uebertreiben, bis Du wieder stark bist.

....... Nun sagen sie "Löwentochter" zu mir.

Also ich bin die Loewenmutter, wie ein Verrueckter setze ich mich fuer Brigitte ein, bis ins Parlament. Hat viel geholfen!!

.........Aber schlussendlich: ich bin soo kaputt und müde... Jetzt wo ich meine Mutter in guten Händen weiß, merke ich die letzten zwei Jahre extrem.

Erholen, so gut es geht, Sport, Tennis, Schwimmen, Massage

........Und ich fürchte auch, dass ich mir eine Schutzmauer gebastelt habe, an manchen Tagen kann ich nicht mal mehr weinen. Und doch brauche ich meine Kraft um sie weiterhin bestmöglich zu begeleiten. Denn: diese Aufgabe ist die schönste und zugleich schlimmste, die man als Tochter haben kann.

Das hast du so toll gesagt, dass mir eine Gaensehaut ueberlaeuft. Habe nichts mehr zu sagen als: alle Achtung, Carmen. Und alles Gute.....

Harald und Brigitte
Australien
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#10
(28.07.2012, 09:16)cardenis schrieb: Liebe Claudia!

Die Frage, wie es wohl "danach" ist, kam mir auch öfters. Aber die schiebt man weg von sich, denn obwohl man weiß, die Krankheit ist da, obwohl man hier immer mal wieder von Abschieden liest, denkt man immer irgendwo noch: Nicht wir. Wir haben noch Zeit. Bei uns wird das nicht so.

Der Verdrängungsmechanismus funktioniert perfekt! :-) Man fragt sich, wie fühlen jene, die gerade jemanden haben gehen müssen, man sieht diese Menschen an und fragt sich, wie zum Teufel schaffen die das?! Ich gehöre seit heute 9 Wochen auch zu jenen und will Dir kurz beschreiben, wie es bei uns war.

Unsere Familie ging immer sehr offen mit dem Thema Sterben um. Das heisst nicht, dass es nicht weniger weh tut, aber wir hatten den Vorteil, dass wir uns bewusst verabschieden durften und die Beerdigung genau so ausrichten konnten, wie meine Mutter es sich wünschte.

Als nun der Tag kam, wo es meiner Mutter rapide schlechter ging und es hieß:
"Sie liegt im Sterben" und Du Freunde und Bekannte anrufst, fühlt es sich an, als erzähle man von wem anders, nicht von dem eigenen Familienmitglied. Wir schalten um auf "funktionieren". Bei uns sah das so aus, dass wir alles dafür taten, unsere Ma so gut als möglich zu begleiten. Wir saßen eine Woche in ihrem Zimmer im Pflegeheim und die Welt draussen, ja die drehte sich einfach weiter! Aber die Welt da draussen interessiert in dem Moment nicht.

Es ist, wie alle anderen es immer erzählen: Man hat sehr viel Kraft um alles zu organisieren, zu tun und zu machen und fragt sich: Woher kommt die Kraft nur? Wir haben nach dem Einschlafen meiner Ma alles getan: Zimmer ausgeräumt, Beerdigung, Formalitäten. Keine Ahnung, wie ich und mein Bruder das alles gemnacht haben´, komischerweise kann ich mich nicht mehr an alles erinnern. :-|

Und nach 6 Wochen, als ich die letzte Rechnung überwiesen- ich auch den letzten Bekannten informriert hatte, als alles quasi "fertig" war, da konnte ich eines Montag morgens nicht mehr aufstehen. Körper wollte einfach nicht mehr. ich schleppte mich dann zu unserer Ärztin, welche auch meine Ma bgleitet hat. Sie lächelte nur milde und sagte: " Das war klar, das das kommt." Und dann habe ich geheult. Nur geheult! Hab mich gar nicht mehr einbekommen. Sie schrieb mich krank und ich habe ungelogen von Montag bis Mittwoch nur geschlafen, fast komatös.

Jetzt 3 Wochen später geht es mir besser. Ich war wohl einfach nur kaputt. Nun ist es so, dass ich lernen muss, eine Lücke zu füllen. Ich war nach der Arbeit immer im Pflegeheim und vor 20:30 sowas nie daheim. Jetzt bin ich um halb Sechs zuhause und die ersten Tage habe ich hier gesessen und wusste nix mit mir anzufangen. Jetzt nehme ich die Hobbies langsm wieder auf, welche ich die letzten 2,5 Jahre nicht habe wahrnehmen können und gehe zum Beispiel viel Schwimmen.

Schon jetzt merke ich folgende Veränderungen: Vieles ist mir zu oberflächlich geworden, wie manche Menschen leben, wie wenig Werte sie haben. Ich bin stärker geworden und ich habe andere Interessen, z. B,. die Hospizarbeit. Ich habe mich bewusst von 2 Bekannten "getrennt, weil unsere Ansichten nicht mehr zusammenpassen, habe dafür aber einige neue, wichtige und liebe Menschen kennengelernt.

Man schaut die Welt mit anderen Augen an!

Und auch, wenn ich meine Ma unendlich vermisse, so bin ich doch auch dankbar für die Erfahrung, die ich machen durfte. Und dafür, sie auf der Schwelle in die andere Welt begleiten zu dürfen. Und dafür, das die Bindung zwischen mir und meinem Bruder und auch meinen Tanten inniger denn je ist.

Liebe Grüße,
Carmen

Hallo Carmen,

ich habe hier im Forum einige Deiner Beiträge gelesen. 

Du sprichst mir aus der Seele mit der Schilderung Deiner Gefühle und Erfahrungen!

Liebe Grüße,
MARZADA
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